Prozessorientierte Methode

„Es begann alles ganz harmlos“

Ein Beitrag zur Entstehung der ZKD-Trainings- und Beratungsmethode. Ein autobiografischer Themenzugang zum Konzept des „Prozessorientierten Methodenansatzes“, von Peter Andel

Das zeitgemäße und zukunftsfähige Konzept der „prozessorientierten Methode“ hat eine lange Entstehungsgeschichte. Diese ist eng mit der Lebensgeschichte meiner zuletzt erlebten 40 Jahre verbunden. Mit meinen Erfahrungen als Lernender, als Mitarbeiter (damals noch Untergebener), als Lehrender, als Führungskraft, als Trainer und Berater, sowie als Psychotherapeut. Aber was wären meine Erfahrungen ohne die daraus hervorgegangenen Erkenntnisse? Über sie möchte ich an dieser Stelle berichten, damit andere bei Bedarf darauf aufbauen können.

Der konventionelle Einstieg

Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bekam ich die Chance, in einer Wiener Volkshochschule „Arbeiterkammerstiftungskurse“ durchzuführen. Es waren zwei Themenblöcke, die ich auf je ein Semester während der Schulzeit, jeden Donnerstagabend von 19 bis 21 Uhr, auf jeweils 10 Abende aufteilte. Das erste Semester war mit dem Oberbegriff „Lernen lernen“ und das zweite mit „Soziales Lernen“ tituliert. Diese Kurse wurden im Laufe der Zeit mehr und mehr nachgefragt. Zehn Jahre hielt ich diese Vorlesungen. In Spitzenzeiten bis zu viermal wöchentlich, in unterschiedlichen Volkshochschulen, auch am Samstag Vormittag. Dies war mein Einstieg in die Erwachsenenbildung, nachdem ich davor als Referent bei Seminaren mit Jugendlichen Erfahrungen sammeln konnte.

Bis zum heutigen Tag war ich in verschiedenen Rollen in der Erwachsenenbildung tätig. Meist freiberuflich und selbständig, manchmal auch angestellt – doch immer neugierig, forschend und suchend. Waren es anfangs noch die Rollen „Vortragender“ und „Referent“, so sind diese Aktivitäten heute mit „Verhaltenstrainer“, „Organisationsberater“, „Lebens- und Sozialberater“, „Methoden- und Designentwickler“ betitelt. Aber auch Coach, Supervisor, Mediator, Psychotherapeut sowie Gründer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens „Zentrum für Kommunikation und Dynamik“ (ZKD) sind als weitere Rollen hinzugekommen.

Wie fast alle KollegInnen habe ich damals (Mitte der 70er Jahre) konventionell (Vortragender, Redner, Diskussionsleiter) und mit methodisch altbekannten Formen begonnen. Heute bin ich bei einem neuen methodischen Ansatz, vollkommen unerwartet und nicht beabsichtigt, angelangt.

Der Start ins Ungewisse

Mitte der 70er Jahre stand ich – Peter Andel – erstmals in Vertretung des plötzlich erkrankten Prof. Mag. DDDDr. Robert Rimpel in der Volkshochschule Wien Favoriten vor meinen ersten HörerInnen. Alle waren älter als ich und sie erwarteten den großen Erwachsenenbildner. Ich fühlte mich damals sehr einsam und verlassen. So wie am Bahnsteig, wenn der Zug bereits abgefahren ist und ein kalter Wind weht. In meinem Hinterkopf spürte ich ständig die bohrende Frage: „Was tue ich hier?“. Doch ich hatte Glück: Mein erkrankter Lehrer und Freund hatte mir in einigen Gesprächen sein hoch wissenschaftliches Manuskript so erläutert, dass ich es verstehen konnte. Dies war die Voraussetzung, dass ich es mit meinen Worten dem VHS-Auditorium mitteilen konnte. Als ich am Ende auch noch die vorbereitete Kursunterlage mit dem Namen des fünffachen Akademikers austeilte, waren alle sehr zufrieden und hatten fürsorgliches Verständnis für meine Einstiegsnervosität.

Am 1. Januar 1978 verstarb Robert Rimpel, der nicht nur mein Lehrer und Freund, sondern auch ein „geistiger Vater“ für mich gewesen ist, plötzlich und unerwartet. Die ursprünglich in Vertretung übernommenen Kurse durfte ich auch weiterhin, jetzt in Eigenverantwortung und nach eigenem Konzept, durchführen. Ebenso konnte ich sein Standardwerk „Der österreichische Hausjurist“ weiterhin betreuen und für dessen fortgesetztes Erscheinen sorgen.

Bei meinen ersten Gehversuchen in der Erwachsenenbildung waren die TeilnehmerInnen der Volkshochschulkurse von ihrem anstrengenden Tag abends immer sehr müde (vielleicht sind sie das heute auch noch). Trotzdem waren sie wissensdurstig und bereit, neue Informationen aufzunehmen. Selbst dann, wenn ich alle meine rhetorischen Fähigkeiten – die für die damalige Zeit ganz beachtlich waren – ausspielte, siegte meist die Müdigkeit. Allein diese Tatsache war schon Grund genug, um nach neuen Lehr- und Lernformen zu suchen, welche die TeilnehmerInnen vor dem Einschlafen retten sollten. Damals hat Lehren in der konventionellen Form bedeutet, dem Lernenden etwas beibringen, etwas mitteilen, etwas vormachen – ganz nach dem Prinzip: Ich werde es dir erklären, da ich der Experte bin. Der Lernende sollte den Stoff, die Information übernehmen, das Vorgezeigte nachmachen und sich somit anpassen. Es war zusammengefasst die klassische Form des hierarchischen Unterrichts.

Schon bald bemerkte ich, dass die Lernenden keine Pflichtschulkinder, sondern reife erwachsene Menschen mit umfangreichen Erfahrungen und respektablem Wissen sind. Damit dies die Grundlage für ein neues Verständnis von Lernen und für das Hervorbringen neuer Lernprozesse sein konnte, waren neue Erklärungs- und Verhaltensmuster meinerseits notwendig. Daher begab ich mich auf die Suche um diese zu finden.

Zunächst erschien mir wichtig, als Lehrender von der überwiegend eingesetzten Einwegkommunikation zu einer Zweiwegkommunikation und so zu einer besseren Interaktion zwischen den TeilnehmerInnen und mir zu kommen. Es mussten entsprechende Methoden gefunden und trainiert werden, damit die Lernenden selbst zu Experten werden konnten.

Aus dem Bekannten das Unbekannte entwickeln

Ich suchte und fand entsprechende Interaktions- und Lehransätze in der damals gerade auch in Österreich populären Gruppendynamik. Ebenso waren die Inhalte der Transaktionsanalyse und Systemtheorie (die während der so genannten „68er Entwicklung“ eine bedeutende Rolle spielten) hilfreich für die Erarbeitung neuer Lehr- und Lernformen. Besonders nützlich für mein Vorhaben erwiesen sich die Erkenntnisse des Konstruktivismus mit dem neuen Ansatz des „Hervorbringens“. Dies wurde später am deutlichsten von Francisco Varela und Gregory Bateson beschrieben.

Gut geeignet für dieses neue „Methodensetting“ der Erwachsenenbildung waren die Ansätze der Selbsterfahrung. Sie lenkten den Blick auf die Organisation des vorhandenen Wissens, beziehungsweise auf die Organisation der Lernprozesse. Die Selbsterfahrung ermöglichte neue, bisher unerreichte Wechselwirkungen geistiger Prozesse. Dabei steht das Selbst im Zentrum des Lernens. Ein ganzheitliches Lernen als intensiver persönlicher Lern- und Veränderungsprozess, in dem der/die Lernende die Schlüsselrolle spielt und in dem er/sie selbst der Experte ist, trat an die Stelle der bisherigen hierarchischen Unterrichtsformen.

Heute weiß ich, das war der Beginn von selbststeuernden und selbstlernenden Systemen in der Erwachsenenbildung. Es war die Voraussetzung geschaffen für einen historisch einmaligen Sprung, für eine epochale Wende. Ein Veränderungsprozess der besonderen Art, ein Paradigmenwechsel in der Erwachsenenbildung, eine „Veränderung 2. Ordnung“, wie Thomas S. Kuhn und Gregory Bateson und später auch Paul Watzlawick diesen Prozess nannten, waren eingeleitet. Auch mir ist heute bewusst, dass diese spielerisch-dialogische Lehr- und Lernform, ohne erhobenen Zeigefinger, das Kongruenzgefühl und somit die seelische und körperliche Gesundheit (Resilienz) fördern.

Die neue Kooperation zwischen Lernenden und Lehrenden war möglich durch die Abwendung vom konventionellen Verhalten des „Ich werde es euch Erklären“ hin zu einem partnerschaftlichen Unterrichtsprinzip „Wir werden es gemeinsam hervorbringen.“. Die neue Rolle des Lehrenden war ab jetzt die eines Trainers, dessen Hauptaufgabe in der „Hilfe zur Selbsthilfe“ bestand. Die alten Abhängigkeiten wurden aufgegeben, ebenso der Konkurrenzdruck, der mehr zur Bildung von Blockaden als zu Erfolgen führte. Lernen in Freiheit (Angstfreiheit) wurde ermöglicht.

Natürlich erzeugte dieses Lernen ohne (alte) Strukturen auch Verunsicherung. Wie bei jeder Veränderung und beim Umgang mit wirklich Neuem kamen Angst und Widerstand zum Vorschein. Doch nach den ersten Erfahrungen in der sicheren und geschützten Laborsituation des Lernsettings (= Seminar, Training), kehrte Sicherheit und Vertrauen ein. Die Distanz zum alten Lernen wurde vergrößert. Dies ermöglichte weitere Erfolge und brachte Spaß und Freude am Lernen. Dadurch stieg die Lust auf neue Experimente, welche zu einer weiteren Vergrößerung der Distanz zu den alten Modellen führte. Mit dieser Position gelang es den Lernenden, mehr und mehr eine BeobachterInnenrolle einzunehmen.

Dieses Grundmuster der Betrachtung aus der „Vogelperspektive“ macht angstfreie Entdeckungs-, Lern- und Entwicklungsprozesse möglich. Es führt zum ganzheitlichen Lernen und zum Verhaltenslernen. Daher nannte ich meine Seminare „Verhaltenstraining“. Dieser Begriff brachte oft Verwechslungen mit der klassischen Verhaltenspsychologie (= Konditionierung) mit sich, hat aber damit nur wenig gemeinsam. Bei meinen Seminaren stand – und steht heute noch – das Lernen durch Erfahrung im Mittelpunkt. Durch eigenes Erfahren und Erleben (= Selbsterfahrung) und durch die Erfahrung der anderen SeminarteilnehmerInnen (= Fremderfahrung).

Die sanfte Bildungsrevolution

Dieser neuen Arbeitsform gab ich 1978 den Namen „Prozessorientierter Methodenansatz“. Gleichsam als Abgrenzung zu den damals bekannten Begriffen „themenzentriert“ und „personenzentriert“.

Es waren und sind ungeplante und unerwartete Lern- und Veränderungsprozesse die zum Vorschein kamen. Irgendwie haben wir alle ständig daran geglaubt und es auch immer erhofft. Doch nun ist es sicher: Der prozessorientierte Methodenansatz, den meine MitarbeiterInnen und ich bereits vor 40 Jahren zu entwickeln begonnen haben und den wir, gemeinsam mit den SeminarteilnehmerInnen, stetig weiterentwickelten und immer noch weiter entwickeln, zeigt den Erfolg.

„Der lernende (erwachsene) Mensch ist der eigentliche Experte!“

Die Formel 1+1=Y macht sich bemerkbar indem wir Synergien nützen. Die Summe ist mehr als die Einzelteile zusammen ergeben. Es sind jeweils nur kleine Schritte, aber in der Summe sind sie von großer Bedeutung für die Menschen und ihre Umwelt. Am Anfang schlafen das Wissen und die Fähigkeiten noch. Antworten auf Fragen sind da, aber noch nicht fassbar. Das latent vorhandene Wissen muss erst entdeckt und organisiert werden. Dies geschieht in der Erwachsenenbildung durch die Hilfe (der TrainerInnen) zum Selbstlernen, zum Selbsterkennen und Selbsterfahren.

Das Wissen und die Fähigkeiten der Menschen einerseits und die Selbstorganisationstheorien andererseits sind die ideale synergetische Verbindung für neue „Hervorbringungen“.

Die Selbstorganisationstheorien erbringen den wissenschaftlichen Beweis dafür, dass wir zur Klärung der Frage, wie Ordnungen (der Welt) entstehen, bzw. wie diese verändert werden, keine Lehrer brauchen. Der systemische Grundsatz vom Vorhandensein der Ressourcen des Ganzen im Kleinsten und umgekehrt (Makro- ist gleich Mikrokosmos) ist auch hier deutlich sichtbar geworden.

Wenn wir uns selbst verändern, verändern wir auch die Organisation (und deren Muster) und umgekehrt.

Durch diese Erkenntnis wurde die Struktur von Systemen als selbstlernend und selbststeuernd nutzbar gemacht. Durch die damit verbundenen positiven Wirkungen und unerwarteten Nebenfolgen mit Langzeitwirkung wurde der evolutionäre Sprung ermöglicht, der „die Betroffenen zu Beteiligten“ werden ließ.

Ziele mit aufsteigender Komplexität, sowie neues Organisationswissen und neue Organisationsfähigkeiten wurden durch neue Kompetenz ermöglicht. Durch die systematischen (später auch systemischen) Arbeitsmethoden (Team/Gruppen) von Einzelnen bzw. von Gruppen kooperierender Menschen, ist es möglich geworden, die Arbeitsprozesse zu reflektieren und selbständig zu verbessern.

Wir haben erkannt: Nur wenn wir die Menschen in (Veränderungs-)Prozesse einbeziehen, sind komplexere Veränderungen schnell und effektiv möglich. Die Komponenten dafür sind:

  • Die Einbeziehung des Wissens und der Erfahrungen des Lernenden (Lernen = Lücken schließen)
  • Selbstorganisation, Selbststeuerung, Selbsterfahrung und Selbsterleben als neuer Kontext (Selbstorganisationstheorien)
  • Lernen ist Hervorbringung statt Konkurrenz (Teamarbeit)

Die Lernerfolge (Lernmenge und Behaltewert) sind bei diesen Selbsterfahrungen größer als bei jeder anderen Lernmethode.

„Der Lehrer und die Lernenden erschaffen gemeinsam die Lehre.“ (fernöstlicher Spruch)

Diese beschriebenen Erfahrungen, von über 40 Jahren Tätigkeit in der Erwachsenenbildung, sind die Grundlage, oder besser gesagt die logische Voraussetzung für den prozessorientierten Methodenansatz.

Die Revolution der lernenden Organisation

Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Erwachsenenbildung umgelegt auf die innerbetriebliche Weiterbildung von MitarbeiterInnen bedeutet: „Das latent vorhandene Wissen kann sich nur im Kontext der Selbstorganisation, Sinnerfüllung und Freiheit entwickeln.“, Zitat Jochen Schmidt. Anders ausgedrückt: Wenn sich die Menschen verändern, verändern sich deren Organisationen und umgekehrt. Durch diese Wechselwirkung der Lern- und Veränderungsprozesse entsteht ein neuer Regelkreis. Dieser erklärt durch die ihm inhärente Eigendynamik warum die Kluft zwischen den Ansprüchen der MitarbeiterInnen und den bekannten herkömmlichen hierarchischen Theorien und Methoden des Führungsverhaltens immer größer wird: Der Mensch als der eigentliche Experte lernt und verändert sich schneller, als die Organisation der er innewohnt. Während der Mensch durch die Selbstlernprinzipien Lernsprünge erlebt, wird die Organisation durch die bestehende Struktur (= hierarchische Ordnung) zurückgehalten. Der Mensch entwickelt daher neue Kriterien aus denen neue Strukturen entstehen. Die so entstandenen alten und neuen Organisationen/Strukturen und deren Prozesse arbeiten eine Zeit lang parallel, so lange bis die Dissonanz zu groß und die Kluft nicht mehr überbrückbar ist.

In dieser kritischen Phase (Krisenzone) von Systemen und deren Individuen gibt es keine Bremse und keine Rückkehr. Es geht unaufhörlich weiter. Der Veränderungsprozess hat keine lineare, gleichmäßig verlaufende Kurve. Die evolutionäre Veränderung gestaltet sich wegen der größer werdenden Dissonanz immer schneller. Dieser Akzelerationsprozess führt schließlich an einen Verzweigungspunkt. Von da an gibt es die Möglichkeit einer Abwärtseskalation (Kollaps) oder der Entstehung einer neuen Aufwärtsstruktur durch einen Sprung in eine Dimension mit neuen Systemen und Lernformen. Wissen schafft neues Wissen, dieses zirkuläre System ist die Erklärung für unerwartete und vorerst nicht geplante Lern – und Veränderungsprozesse in Organisationen.

Die Veränderung des Bewusstseins der Menschen (Organisation = MitarbeiterInnen) in den vergangenen 30 Jahren durch Schulungs- und Beratungsmaßnahmen (Ausbildung, Fort- und Weiterbildung) einerseits sowie durch einen nicht exakt zu definierenden Zeitgeist (Auseinandersetzung mit Macht, Autorität, Erziehung, Diversität, Genderfragen sowie Sinn- und Identitätsfragen usw.) andererseits hat Auswirkungen auf Denken und Wissen, Gefühle und Verhalten, Werte und Orientierung, Haltung und Einstellungen, Persönlichkeit und Fähigkeiten dieser Individuen.

Die MitarbeiterInnen sind nicht mehr bloß Konsumenten, die unwissend sind und die erst überzeugt werden müssen. Sie sind keine trivial funktionierenden mechanischen Wesen, sondern sie haben mit Körper, Geist und Seele erfahrbare Empfindungen. Sie wissen bereits, was sie können, was sie wollen und wer sie sind. Weiters, welche Wünsche sie haben, und welchen Sinn sie in der Arbeitswelt sehen. Sie kennen ihre Erfahrungen, Fragen, Unsicherheiten, Zweifel und Leiden mit und an den Systemen in denen sie sich gerade befinden.

Waren es vor 40 Jahren noch die KursteilnehmerInnen, die mit ihrem Wissen und Erfahrungen mithalfen, den prozessorienterten Methodenansatz zu entwickeln, so sind es heute die Gespräche und Erkenntnisse von Trainer- und BeraterkollegInnen sowie KundInnnen die mir halfen, das Konzept des prozessorientierten Lernens weiter zu entwickeln.

Dazwischen liegen viele Jahre der Arbeit am Thema: Gesunde MitarbeiterInnen – gesundes Unternehmen (Salutogenese). Es war eine Zeit des Ausprobierens, der Versuche und Irrtümer. Viele Konzepte wurden entwickelt, umgesetzt, doch wieder verworfen, und neue entwickelt. Es war eine Zeit, in der sich sowohl regional (z.B. Betriebliche Gesundheitsförderung, BGF) als auch global (z.B. Weltgesundheitsorganisation, WHO) zu diesem Thema viel Neues getan hat. Jeder noch so kleine Schritt, jedes Gespräch, jede praktische Erfahrung waren wichtig auf dem Weg zur Erkenntnistheorie des prozessorientierten Lehren und Lernens.

Zu den ersten wissenschaftlichen Theorien der Bildungsrevolution (Systemtheorie, Gruppendynamik, Transaktionsanalyse) sind die „Selbstorganisationstheorien“ hinzugekommen. Gemeinsam haben sie, dass sie sich mit der Frage beschäftigen, wie Ordnungen entstehen bzw. verändert werden können. Peter M. Senge hat das in seinem Buch: „Die fünfte Disziplin“ genau beschrieben. Die mir bekannten Wissenschaftstheorien wurden im Lauf der Zeit ergänzt mit neuen Alltagstheorien.

Von der Methode zur Theorie

Diese „naiven Alltagstheorien“ waren die verinnerlichte Beschreibung von Prozessen der Veränderung oder von Beobachtung der Entstehung von (Neu-)Ordnungen und deren Veränderungen. Dazu zählen die vielen Verhaltensmuster, mit denen sich MitarbeiterInnen (meist informell) mit der Frage von hierarchischen Veränderungen auseinandersetzen. Naive Alltagstheorien sind jederzeit von jedem verifizierbar und sind – zum Unterschied von wissenschaftlichen Theorien – zum Konkurrieren nicht geeignet.

Implizit entstand ein neues Verständnis der Menschen zu Theorien und Selbsterfahrung. Der Zusammenhang zwischen Theorie und Erfahrung ist zirkulär, beide bestätigen einander wechselseitig. Durch Reflexion entsteht aus den naiven Alltagstheorien eine (fast) wissenschaftliche (neue) Theorie, die „reflektierte Alltagstheorie“. Eine der wichtigsten Erfahrungen die ich als Trainer und Berater machen durfte, war das Lernen in Beziehungen mit KundInnen und KollegInnen in unterschiedlichsten Systemen. Jede Beziehung stellt für mich eine Miniaturausgabe des zu beratenden Systems und daher eine Tribüne für Erkenntnisse und Selbsterkenntnisprozesse dar. Dieses Beziehungslernen möchte ich fortsetzen, so lange ich Menschen bei Veränderungsprozessen begleiten darf. Ich danke allen, mit denen ich arbeiten, diskutieren, lernen und lehren (was in zirkulärer Wechselwirkung zueinander steht) durfte.

An dieser Stelle möchte ich den oft verwendeten Begriff „Kunde“ definieren. Darunter verstehe ich die KlientInnen, TeilnehmerInnen, AuftraggeberInnen, PatientInnenen usw.; Sie alle sind für mich KundInnen, weil sie „kundig“ und die wahren Experten für ihre Situation, Probleme, Aufgabenstellungen und Lösungen sind. Zeitweise kann es vorkommen, dass durch anhaltende und/oder häufige Störungen diese Kundigkeit verloren gegangen ist. Dann ist professionelle Hilfe von außen angesagt. Dabei ist es ein vorrangiges Ziel, durch Hilfe zur Selbsthilfe die Selbstbestimmung wieder zu erlangen.

Meine KundInnen und ich haben somit gemeinsam, durch die Vernetzung von reflektierter Alltagstheorie mit wissenschaftlicher Theorie, das Konzept der prozessorientierten Methode erarbeitet. Von allen Bereicherungen, die ich erleben durfte, möchte ich zwei Trainer- und Beraterkollegen hervorheben, deren Arbeiten mich anspornten und deren Erkenntnisse mir besondere Sprünge in neue gedankliche sowie emotionale Dimensionen ermöglichten. Jochen Schmidt mit seinem Buch: „Die sanfte Organisations-Revolution: von der Hierarchie zu selbststeuernden Systemen“, 1993 im Campus Verlag erschienen, und Helmut Graf mit seiner Arbeit „Psychotherapie in der Arbeitswelt“, 2003 im Springer Verlag erschienen. Graf beschreibt darin als erster in ausführlicher wissenschaftlicher Form den Begriff der Wirtschafts- und Arbeitspsychotherapie (WAP), welche auch die Basis für meine Arbeit mit Menschen und Organisationen darstellt.

Regelkreis der Theorieentwicklung

RegelkreisTheorie

Quelle: Andel, 2011

Autor: Peter Andel, Jahrgang 1947, Mag., BA.; Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Psychotherapiewissenschaften; Psychotherapeut, Supervisor, Coach, Mediator, Lebens- und Sozialberater, Personal-, Gruppen- und Managementtrainer, Geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums für Kommunikation und Dynamik (ZKD)

Arbeitsschwerpunkte: Prozessorientiertes Lernen, Salutogenese, Wirtschafts- und Arbeitspsychotherapie

Download des Artikel: Es begann alles ganz harmlos

2 Gedanken zu „Prozessorientierte Methode

  1. Der Artikel über die prozessorientierte Methode von Herrn Mag. Andel ist hervorragend geschrieben und dadurch sehr gut nachvollziehbar. Lebenslanges interaktives Lernen ist in einer Welt der ständigen Veränderung unabdingbar.
    Gratulation!!
    Peter Zimmermann

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